Welche Probleme treten auf und wie löse ich sie, wenn sich Umgebungsparameter ändern?
Die Abgrenzung einer „Umwelt“ von einem „System“ wird häufig durchgeführt, um zu verstehen, welche Einflüsse die Eigenschaften der Umwelt auf das System ausüben. Ziel ist dabei, die Prozesse beeinflussen oder kontrollieren zu können. In der Textilproduktion sind solche wichtigen Systeme entweder die Materialien, die verarbeitet werden oder die Maschinen, mit denen verarbeitet wird. Im Herstellungsprozess gibt es dabei vielfältige Wechselwirkungen zwischen Material, Maschine und Umwelt. Diese Wechselwirkungen haben großen Einfluss auf die Produktqualität oder Verarbeitbarkeit. Deshalb sollen diese Auswirkungen minimiert oder zumindest gut kontrolliert werden, um hohe Produktqualitäten oder niedrige Herstellungskosten zu erreichen.
Bei unserem Textil vernetzt-IIoT-Demonstrator müssen beispielsweise Garne über Fadenführungssysteme geführt werden. Dabei sind sie Zugkräften ausgesetzt oder reiben über die Umlenksysteme. Oder ein anderes Beispiel: Im Veredlungsprozess müssen Farbpartikel fest an die Fasern gebunden oder chemische Eigenschaften der Faseroberflächen verändert werden. Aber auch die Materialeigenschaften der Fasern selbst spielen oft eine wichtige Rolle: ihre Biegsamkeit, Zug- und Reißfestigkeit oder die Reibungskoeffizienten.
Umwelteinflüsse wie Temperatur, Feuchte, Luftdruck oder Strahlung beeinflussen die Materialeigenschaften oder Verarbeitungsprozesse häufig direkt, beispielsweise wenn Baumwollfasern Feuchtigkeit aus der umgebenden Luft aufnehmen. Aber auch indirekte Einflüsse sind möglich, so zum Beispiel ungünstige Temperatur- und Luftdruckverhältnisse in einer Fabrikhalle. Dadurch strömt vielleicht ständig trockene Luft durch einen Lagerraum. Diese trockene Luft kann dort gelagerten Fasern Feuchtigkeit entziehen und die Höchstzugkraft herabsetzen oder die Haarigkeit erhöhen. Dadurch treten in der Produktion mehr Fadenbrüche oder Faserabrieb auf, was wiederum zu längerem Stillstand von Maschinen, höherem Wartungsaufwand und zu schlechteren Produkten führen kann.
Viele dieser Wechselwirkungen wurden bereits gut verstanden und so können heute wichtige Umwelteigenschaften benannt werden, die einen starken Einfluss auf den Verarbeitungsprozess, Produktqualität und -eigenschaften haben. Andere sind noch nicht erkannt, weil sie nur geringe Auswirkung haben oder manchmal auch sehr komplex sind. Wieder andere wirken indirekt und erst über einen längeren Zeitraum: Das ist der Fall bei der Korrosion von Maschinenteilen, der Wasseraufnahme oder -abgabe in gelagerten Garnen oder bei Chemikalien. Für eine effiziente und vorhersagbare Produktion in hoher Qualität ist es daher oft wichtig, nicht nur die eigentlichen Verarbeitungsprozesse in Maschinen oder Anlagen gut kontrollieren zu können. Umweltparameter, Transport- und Lagerbedingungen müssen genauso im Blick behalten werden wie Änderungen, die durch Wetter oder klimatische Veränderungen entstehen. Eine langfristige Überwachung und geeignete Kontrolle der Veränderung von Umweltparametern wie Temperatur und Luftfeuchte ist daher schon lange in vielen Bereichen der Textilindustrie üblich.
Schwanken Umweltparameter zu stark, ist es üblich, im Lagerraum oder in der Produktionshalle die Umweltparameter durch den Betrieb von Klima-, Heizungs-, Belüftungs- oder Befeuchtungsanlagen zu beeinflussen. Eine andere Möglichkeit ist natürlich, Verarbeitungsparameter wie Fadenspannungen, Zugkräfte oder Heizleistungen anzupassen. Gerade Klima- und Heizungsanlagen verbrauchen jedoch selbst erheblich Energie und erzeugen Kosten für Bereitstellung, Betrieb oder Wartung. Manchmal ist vielleicht eine Kombination von beidem eine kostenoptimale Lösung.
Die branchenübergreifende Digitalisierung hat Sensoren, Aktoren und Informationsverarbeitung so kostengünstig werden lassen, dass neuartige Konzepte denkbar sind. Das sind beispielsweise Lagersysteme, welche die klimatischen Bedingungen optimal auf die zwischengelagerten Garne und deren geplante Verarbeitung einstellen. Insgesamt ergeben sich dadurch vielfältige neue Möglichkeiten, um solche Daten effizienter als bisher zu kontrollieren oder in Steuerungsprozessen zu berücksichtigen und damit Ursachen für Qualitätsprobleme aufzuspüren oder Ressourcen und Kosten zu sparen. Mit einer automatisierten Auswertung von langfristigen Umwelt- und Qualitätsdaten können aber auch sich entwickelnde Probleme in der Produktion frühzeitig erkannt werden. Mit Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) ist es gar möglich, neue Zusammenhänge oder besonders gut funktionierende Produktionsbedingungen zu identifizieren.
Am Textil vernetzt-Schaufenster „Vernetzte Produktion“ am STFI in Chemnitz werden solche Potenziale für die Textilindustrie veranschaulicht und Unternehmen ganz konkret dabei unterstützt, vorhandene Technologien und Lösungen für sich zu nutzen. Der im Rahmen des Kompetenzzentrums Textil vernetzt in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern DITF, Hahn-Schickard, ITA und textil+mode entwickelte IIoT-Demonstrator zeigt, wie sich eine automatisierte, digitale Erfassung und Aufzeichnung von Umweltparametern heute schon standortübergreifend umsetzen lässt.
Mehr Informationen und Hintergründe zum IIoT-Demonstrator finden Sie hier.