„Digitalisierung gelingt nur, wenn alle Mitarbeiter mitgenommen werden“

Bild von Insa Klasing, CEO und Gründerin von TheNextWe

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf den Arbeitnehmer aus? Welche Rolle spielen dabei Führungskräfte? Und was muss sich in den Unternehmen ändern, damit die Digitalisierung gelingt? Textil vernetzt hat hierzu mit Insa Klasing, CEO und Gründerin von TheNextWe, den Experten für digitalen Mindset-Wandel, gesprochen und spannende Antworten erhalten.

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Zusammenarbeit speziell in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) hinsichtlich der Themen Personal, Führungskultur und Arbeitsorganisation aus?
Die Digitalisierung stellt alle herkömmlichen Geschäftsmodelle in Frage, egal wie groß eine Firma ist. Überleben tun nur die Unternehmen, die sich ständig neu erfinden können. Dies bedarf einer ganz neuen Arbeitsweise – agiles Denken, Innovationsfähigkeit, Fehlertoleranz, kontinuierliches Lernen sind gefragt. Dementsprechend muss sich auch die Führungskultur wandeln. Für die Arbeitsorganisation bedeutet das weg von hierarchischen Strukturen und funktionalem Silo-Denken, hin zu agilen, interdisziplinären Teams.

Gerade KMUs setzen häufig auf traditionelle Hierarchien und starre Führungsstile, die mit einer digital vernetzten Arbeitswelt kaum kompatibel sind. Welche Gefahren birgt dies für die Unternehmen?
Die klassische Wasserfall-Organisation hat ausgedient und ist in der digitalen Welt nicht zukunftsfähig. Fernab von aller Technologie ist sie aber auch für die zukünftigen Arbeitnehmer – die Millenials – nicht attraktiv. Die haben Selbstbestimmung als wichtigsten Wert und sind in einem Arbeitnehmermarkt hart umkämpft. Die Gefahr für KMU, die an starren Führungsstilen festhalten, ist, dass sie wettbewerbsunfähig werden, weil es ihnen nicht gelingt, die Talente von morgen für sich zu gewinnen.

Welche Erwartungen haben Arbeitnehmer heute an ihren Arbeitgeber?
Das hat sich stark geändert. Früher waren Mitarbeiter bereit, ihre Freizeit zu opfern für ein hohes Gehalt, Macht und Status. Aber der Firmenwagen mit Fahrer, der dreiteilige Anzug und das Eckbüro in der Chefetage haben ihre Strahlkraft verloren. Der Arbeitnehmer von heute will einen spannenden Job, der einen Unterschied macht in der Welt und der so flexibel ist, dass er zwischendurch längere Auszeiten nehmen kann, um beispielsweise auf Reisen zu gehen. Selbstbestimmung, Sinnhaftigkeit und Flexibilität sind heute Trumpf.

Welche Änderungen müssen in den Unternehmen erfolgen, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern, und wie gelingt damit die Digitalisierung auf allen Hierarchieebenen?
Zunächst braucht ein Unternehmen ein digitales Mindset – damit meine ich die Bereitschaft, alles zu überdenken und neu zu erfinden, um in der digitalen Welt erfolgreich zu sein. Dann braucht es natürlich eine Digitalstrategie, damit das Geschäftsmodell überleben kann. Und eine Struktur, die die Umsetzung dieser Strategie ermöglicht. Dafür braucht es agile Teams.
Auf allen Hierarchieebenen gelingt die Digitalisierung nur, wenn wirklich alle Mitarbeiter mitgenommen werden, das heißt ihre Vorbehalte ernst genommen und ausgeräumt werden. Darauf haben wir uns mit TheNextWe spezialisiert.

Welche Rolle spielen Führungskräfte in einer digitalen Unternehmenswelt und welche Kompetenz müssen sie mit sich bringen, um zur Unternehmensentwicklung beizutragen?
Die Rolle der Führungskräfte ist entscheidender denn je, denn ihre Einstellung und ihr Verhalten entscheiden, ob ein Unternehmen den digitalen Wandel erfolgreich meistert oder ihr Geschäftsmodell irrelevant wird. Dabei ist Führung viel anspruchsvoller geworden, weil die Digitalisierung für alle Neuland bedeutet und viel Unsicherheit mit sich bringt. Die wichtigste Kernkompetenz ist die Fähigkeit, ständig dazuzulernen und sich und sein Geschäftsmodell immer wieder neu zu erfinden.

Und wie sieht es bei den Arbeitnehmern aus?
Arbeitnehmer müssen akzeptieren, dass die Digitalisierung unausweichlich ist – sie brauchen ein digitales Mindset. Das ist der Kern unserer Arbeit, denn die Digitalisierung bringt die meisten Arbeitnehmer weit außerhalb ihrer Komfortzone. Sie sind jetzt gefragt, dauerhaft zu lernen und brauchen die Bereitschaft, altes Denken loszulassen und Neues auszuprobieren. Das ist für viele schwer, weil sie meinen, damit das bisher Geleistete in Frage zu stellen. Aber die beste digitale Unternehmensstrategie kann nicht gelingen, wenn es noch Vorbehalte bei den Mitarbeitern gibt. Deshalb sagen wir: erst die Köpfe, dann die Prozesse.

Die digitale Transformation wird die Unternehmen als eine permanente Herausforderung begleiten. In welche Richtung, glauben Sie, wird sich der HR-Bereich künftig entwickeln?
Die meisten klassischen HR-Prozesse sind bereits größtenteils automatisiert und können durch Software erledigt werden. In diesem Sinne wird HR in großen Teilen überflüssig. Aber die Kernfunktion von HR – Mitarbeiter finden, binden und weiterentwickeln – ist wichtiger denn je angesichts der Herausforderungen der Digitalisierung und des „War for Talent“ im Arbeitnehmermarkt. In diesem Sinne ist HR unersetzlich, wenn es darum geht, ob ein Unternehmen die digitale Transformation erfolgreich meistern wird.

Zur Person:
Insa Klasing ist CEO und Gründerin von TheNextWe. Zuvor verdoppelte sie als Deutschlandchefin von KFC das Geschäft und brachte innocent smoothies zur Marktführerschaft. Sie ist Verwaltungsrätin der SV Group und wurde 2017 als WEF Young Global Leader ausgezeichnet.

 

Über das Mittelstand 4.0-Kompetenzzenttrum Textil vernetzt:
Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Textil vernetzt gehört zu Mittelstand-Digital, womit das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen und dem Handwerk unterstützt. Mittelstand-Digital informiert kleine und mittlere Unternehmen über die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung. Regionale Kompetenzzentren helfen vor Ort dem kleinen Einzelhändler genauso wie dem größeren Produktionsbetrieb mit Expertenwissen, Demonstrationszentren, Netzwerken zum Erfahrungsaustausch und praktischen Beispielen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ermöglicht die kostenlose Nutzung aller Angebote von Mittelstand-Digital. Weitere Informationen finden Sie unter www.mittelstand-digital.de.

Abdruck honorarfrei / Belegexemplar erbeten

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