Individualisierte Textilbezüge für Therapiebereich: DITF-Projektleiter Alexander Artschwager im Interview

©DITF

Die DITF sind eines der Forschungsinstitute weltweit, die sich mit solchen Algorithmen beschäftigen, die direkt aus einem 3-D Modell ein Maschinenprogramm für eine Flachstrickmaschine erzeugen. Die Textil vernetzt-Kollegen der DITF arbeiten mit einem Gesundheitsdienstleister an einem Projekt, das es ermöglichen soll, individualisierte Bezüge für therapeutische Rollstühle oder Sitze anzufertigen. Alexander Artschwager, Projektleiter an den DITF verrät uns, wie es zur Zusammenarbeit kam, was das Anliegen des Unternehmens war und wie die Kolleginnen und Kollegen die Herausforderung angehen.

Herr Artschwager, die Vital · GHD GesundHeits GmbH Deutschland aktiv sind auf die DITF als Textil vernetzt-Partner zugegangen. Was war das Anliegen des Unternehmens?

Die DITF sind eines der Forschungsinstitute weltweit, die sich mit solchen Algorithmen beschäftigen, die direkt aus einem 3-D Modell ein Maschinenprogramm für eine Flachstrickmaschine erzeugen. Das ist noch nicht alles: Dieser Algorithmus ermöglicht, dass wir unter stricktechnischen Bedingungen ohne weitere Eingriffe Konturen produzieren können. Es fallen also keine weiteren Nähte an.

Diese Innovation haben wir auf unterschiedlichen Messen präsentiert. So wurde das Unternehmen auf uns aufmerksam: Es fertigt individualisierte Bezüge für therapeutische Rollstühle oder Sitze an, um Menschen mit Behinderung ein möglichst hohen Komfort im Alltag zu gewährleisten. Momentan werden diese Bezüge händisch erstellt. Dabei nehmen die Näherinnen und Näher an der Schaumstoff-Schale Maß und nähen die Teile entsprechend zusammen. Großer Nachteil bei dieser Vorgehensweise sind einerseits die Nähte, und, dass für jede Form ein individueller Schnitt entwickelt werden muss.

Gemeinsam schauen wir nun, ob es möglich ist, direkt aus dem 3-D Modell der Sitzschale individualisierte Sitzbezüge auf der Flachstrickmaschine herzustellen. Gelingt und dies ohne Nähte, würde sich das Wohl der Patientinnen und Patienten wesentlich verbessern, denn Nähte können zum Wundliegen führen. Außerdem spart der digitale Weg Zeit.

Gemeinsam arbeiten Sie daran, aus einem Stück Stoff einen individuell angepassten Sitzbezug per 3D-Flachstrickmaschine anzufertigen. Was ist die Herausforderung bei der Umsetzung?

Um das 3-D Modell auf die Flachstrickmaschine zu bringen, ist bei uns am Institut  Teamarbeit nötig. Wir brauchen Mitarbeiter, die 3-D-CAD beherrschen, Mathematiker, die algorithmisch 3-D Modelle interpretieren und in maschinenlesbare Programme für die Strickmaschine umsetzen können und Spezialisten an der Flachstrickmaschine. Jede Disziplin allein wäre zum Scheitern verurteilt. Gemeinsam können wir faszinierende Lösungen finden. Der gesamte Prozess ist digital. Vom 3-D-Modell bis zur Interpretation einer strickbaren Form. Hier wird also eine 2-D-Abwicklung für eine Flachstrickmaschine durchgeführt, die Maschen-, Maschinen- und Materialparameter berücksichtigt. Ergebnis ist ein Strickprogramm, mit dem es möglich ist, ein Produkt direkt auf der Flachstrickmaschine zu produzieren.

Dürfen Sie ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern und uns verraten, wie Sie einer Lösung näher kommen, und wie es weiter geht?

In Pandemiezeiten haben wir uns zunächst virtuell ausgetauscht und eine gemeinsame Zielsetzung erarbeitet. Das Unternehmen hat uns dann 3-D-Modelle einer Sitzschale und die Sitzschale physikalisch zur Verfügung gestellt. Dann begann die Arbeit des Teams. Zunächst haben wir die Strategie abgestimmt. Das bedeutet, wir haben uns Maschen, Material, Maschine angeschaut und überlegt, welche Anpassungen am Algorithmus notwendig sind, um das 3-D-Modell der Sitzschale interpretieren zu können. Dabei standen Strickrichtung, Maschenparameter aber auch die Strickbarkeit der Konturen im Mittelpunkt. Dann folgten die ersten Simulationsversuche mit unterschiedlichen Maschenparametern und ersten Strickversuchen. Schon in den Simulationen hat sich gezeigt, dass das Problem mit dieser Vorgehensweise prinzipiell in den Griff zu bekommen ist. Wir haben dann erste Prototypen auf den 3-D Modellen an den DITF produziert und dem Unternehmen zur Verfügung gestellt. Diese prototypischen Sitzteile wurden zu fertigen Bezügen konfektioniert.

Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Dennoch ist ein erheblicher Entwicklungsaufwand notwendig, um dieses Blueprint 3-D-Modell zu einem marktreifen Produkt zu machen.

 

Erfahren Sie mehr zum Projekt: "Vom Scan der Form zum 3D-gestrickten Bezug".

 

Zurück


Nach oben