Chargenverfolgung in der Konfektion: Neu entwickeltes mobiles Endgerät unterstützt KMU einfach, schnell und ohne große Kosten

©STFI

Wie behält man den Überblick über verschiedene Chargen in der Textilherstellung? Dafür hat Textil vernetzt-Partner STFI mit einem mittelständischen Medizintextilproduzenten einen Demonstrator entwickelt. Im Interview gibt Andreas Böhm vom Sächsischen Textilforschungsinstitut (STFI) Einblick in die Entwicklung und wie der Demonstrator auch für weitere KMU nutzbar ist.

Herr Böhm, Sie haben mit Ihren Textil vernetzt-Kollegen vom STFI einen Demonstrator entwickelt. Wie kam es dazu?

Wir haben aus der Industrie eine interessante Anfrage bekommen. Wir sollten mit günstigen Low-Code-Digitalisierungstechnologien die Chargenverfolgung in der Konfektion unterstützen. Wichtig war, ein mobiles Endgerät ohne aufwendige Peripherie zu nutzen. Alle notwendigen Funktionen wie QR-Scan, NFC-Identifikation und Datenbankkopplung sollten aber funktionieren.

Was war die große Herausforderung und wie sind Sie der Lösung nähergekommen?

Die erste Schwierigkeit war, dass wir prüfen mussten, inwieweit eine Tablet-Frontkamera die QR-Scan-Funktionalität bei der Nutzung eines Spiegels zulässt. Mit variantenreichen Spiegelwinkel-Tests konnten wir die Scan-Funktionalität sicherstellen.

Nachdem die erste Hürde genommen war, konnten wir uns der eigentlichen Programmierung widmen. Dabei lag die Herausforderung darin, die verschiedenen Softwareschnittstellen und Technologien miteinander zu verbinden, die Ablauflogik des Programms zu programmieren und anschließend eine nutzerfreundliche Anzeige zu konzipieren.

Als Fundament kam das Entwicklungswerkzeug Node-RED zum Einsatz. Es ermöglichte uns, Technologien wie QR und NFC eines Tablets über das Framework Apache Cordova einzubinden, enthaltene Informationen logisch zu verknüpfen und grafisch aufzubereiten. Eine breit gefächerte und gezielte Online-Recherche sowie Gespräche mit Experten unterstützten das Vorgehen.

Erlauben Sie uns einen Blick in die Zukunft: Was ist das Ergebnis und wie ist der Demonstrator für KMU nutzbar?

Als Ergebnis ist ein Demonstrator entstanden, der aus einer Back-Endanwendung und einer Front-End-Anwendung besteht. Die Back-Endanwendung ist auf einem Server oder Desktop-PC ausführbar; die Front-End-Anwendung auf einem Androidtablet. Weiterhin wurde ein Spiegel genutzt, um die Front-Kamera des Tablets zum Scannen der Produkte (auf dem Nähtisch) verwenden zu können.

Als klassische Anmeldung agiert das NFC-Systems des Tablets: Durch eine Karte mit NFC-Tag wird dabei die Anmeldung eines Nutzers registriert. Mithilfe der integrierten Tablet-Kamera ist eine QR-Auslesung möglich – und damit auch die Erfassung von Auftragsdaten oder Komponenten, bis hin zu ihrer Verheiratung. Gespeichert und abgerufen werden die Daten aus einer SQL-Datenbank. Neben den Auftragsdaten werden im Demonstrator auch Betriebszustände der Nähmaschine mithilfe eines Stromsensors erfasst. Dieser wurde am Nähmaschinenmotor installiert und gibt an, ob die Nähmaschine aus oder in Betrieb ist. Darüber hinaus ist die entwickelte Software mit Animationen versehen, die für den Nutzer eine angenehmere Verarbeitung der Daten garantieren sollen. Eine integrierte Sprachsynthese ermöglicht außerdem ein barrierefreies Arbeiten ohne Sichtkontrollen auf das Tablet. So wird der Nutzer z. B. darauf hingewiesen: „Komponente 5 gehört nicht zum aktuellen Produkt, bitte fügen Sie Komponente 1 hinzu“.

Das Tolle ist, dass es auf Grundlage des genutzten Low-Code-Programmiertools Node-RED möglich ist, Änderungen vorzunehmen und sogar neue Funktionsmodule hinzuzufügen. Ein wesentlicher Vorteil für KMU ist außerdem, dass die Lösung kosteneffizient eingesetzt werden kann und gleichzeitig die Transparenz im Produktionsprozess erhöht. KMU können die Lösung einfach, schnell und ohne große Kosten bei sich integrieren und von den Vorteilen profitieren. Der entstandene Demonstrator ist im Textil-vernetzt-Schaufenster „Vertikale Integration und vernetzte Produktionsketten“ am Sächsischen Textilforschungsinstitut (STFI) erlebbar und sogar ausleihbar.

Erfahren Sie hier mehr zum Projekt "Retrofit eines Näharbeitsplatzes".

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